Kommentar zum Kommentar

Oder: Unsere Unlust sei dir ein Dorn im Aug’. Zum unsinnigsten Text des Jahres.

Es gibt keinen besonders aktuellen Anlass zu dem ich diesen Kommentar schreibe, nur hatte ich bisher weder Zeit noch die Geduld hierfür. Am 12.07.2013 schrieb Magnus Klaue, der sich scheinbar gern wütend „der Linken“ widmet, in der „Konkret“ einen Artikel unter dem schönen Titel „Das gelebte Nichts“. In dem er sich zu Asexualität, Homosexualität und Gendertheorie äußert. Sehr lang, ausschweifend und komplex in der Wortwahl, oder auch, um es mit den Worten einer Bekannten zu sagen „Da hat sich jemand viel Mühe gegeben dich zu hassen.“ Tatsächlich richtet sich der Text nicht nur an mich, sondern zerreißt den Blog die Mädchenmannschaft in dessen Gänze, aber exemplarisch auch meinen Beitrag „Asexualität scheint nicht zu existieren“ sowie die darunter geschriebenen Kommentare.

Da ich nun ein wenig Zeit und Muße habe, möchte ich diesem geistigen Tiefschlag endlich die Antwort widmen, die er verdient, oder besser gesagt, die Fragen stellen, die noch offen sind, jedoch werde ich mich nicht im Einzelnen zu den Punkten äußern.

An erster Stelle möchte ich sagen, dass der Artikel nicht allzu leicht lesbar ist, er strotzt vor unerklärten Begriffen und Lehnwörtern aus verschiedenen Sprachen, die Sätze sind zu lang und verschachtelt. Das ist aber auch etwas, dass in akademischen oder gern als „intellektuell“ bezeichneten Kreisen häufig so gehalten wird: Eine Sprache nutzen die möglichst klar abgrenzt zu den Menschen, die diese nicht nutzen/verstehen wollen/können, aus welchen Gründen auch immer, ist. Legitime Sprache sozusagen, die die eigene Performance der hochkulturellen Verortung unterstützt und auf den ersten und vielleicht zweiten Blick alles glaubhaft erscheinen lässt. Den Vorwurf klassistischer Verhaltensweisen stelle ich hier. Wut wird nicht weniger eine solche, nur weil sie in möglichst vielen Zeichen niedergeschrieben wird. Dennoch frage ich mich (und ganz direkt Sie Herr Klaue) was bitte der Auslöser für eine solche Länge an Tiraden war? Zeitgleich lassen Sie sich jedoch nicht lumpen und werfen mit formvollendeten Beleidigungen um sich; „Hirnschrott“ ist dabei meine liebste.

Schon der Untertitel strotzt vor Ungläubigkeit und dem Wunsch das Folgende lächerlich zu machen.

In der Amöbenwelt, zu der den Gendertheoretikern die Menschheit geschrumpft ist, gibt es eine neue Zellkultur: die Asexuellen.“. Das stimmt schlicht nicht, Asexualität ist weder neu, noch hängt sie direkt und zwangsweise mit Gendertheorie zusammen. Aber sei’s drum, das Bild als solches ist recht hübsch gewählt und anschaulich (und nicht nur eigener kreativer Prozesse entspruungen). Aus anderen Artikeln des Autors wird klar, dass er nicht besonders begeistert von geschlechtsneutraler Sprache oder feministischen Ansätzen ist, aber darum geht es in dem ursprünglichen Beitrag von mir auch gar nicht, sondern schlicht und ergreifend um eine sexuelle Orientierung. Und die sexuelle Orientierung eines Menschen, solange es sich dabei um konsensfähige Spielarten handelt, hat meiner persönlichen Sicht nach eine Dritte Person so sehr in Emotionalität zu versetzen wie die Frage, ob dieser Mensch nun lieber Schach oder Backgammon spielt.
Selbstredend muss ich zugeben, dass ich mich selbst in die Schusslinie begeben habe, da ich öffentlich geschrieben habe, also gut, was nur überrascht ist, die Wut und der Grad der Entrüstung in Klaues Artikel, als spräche ich vom Untergang der Welt oder hätte einen Anschlag auf Frau Merkel geplant.
Abgesehen davon, dass Magnus Klaue ein „Grauen vor der Zukunft“ verspürt, weil es Menschen gibt die kein sexuelles Begehren verspüren und scheinbar einen Verrat an allen Emanzipationsbewegungen darin sieht, frage ich mich wirklich, also wirklich und zutiefst, warum er sich dazu hingerissen fühlt, Menschen ihre eigene und selbst definierte Sexualität absprechen zu wollen. Es geht ihm ja nicht einmal darum, sich wirklich zu informieren oder neues Wissen und Verständnis zu erlangen, sondern es wird alles Beiseite gewischt, was er sich nicht vorstellen kann und will. Wieso ist es der Verrat an Emanzipationsbewegungen wenn Menschen sich selbstbewusst und laut zu ihrer Sexualität bekennen? Ich würde diese Frage gern komplex ausformulieren, aber dadurch wird sie nicht verwertbarer, da sie im Kern völliges Unverständnis ob dieser Schlussfolgerung bleibt.

“… solche Menschen, deren Babysprech den Grad ihrer Individuation angemessen spiegelt, haben sich tatsächlich freiwillig längst zu Einzellern gemacht, die mit anderen Lebewesen allenfalls »interagieren« können, denen sonst aber humanoide Eigenschaften wie Empathie, Mitleid, Trauer, Fähigkeit zum Glück und zur Wahrheit abhanden gekommen sind.“ Ach, Herr Klaue, damit lehnen sie sich auf eine Art und Weise aus dem Fenster, die eigentlich ihrer nicht würdig ist. Wie Eingangs vermerkt, ist mir der möglichst hoch angelegte Abstraktionsgrad Ihrer Sprache bewusst und ich entscheide mich bewusst dagegen, aber deswegen müssen sie meinen „grüblerischen“ Stil nicht gleich als Babysprech abwerten, wenn Sie möchten lasse ich Ihnen auch gern eine Kopie des Textes in Bourdieu’scher oder Kafkaesker Form zukommen. Eine solche Abwertung und Beleidigung meiner Schriftsprache trägt nicht gerade zu konstruktiver Kritik am Text bei und macht Sie, in meinen Augen, nicht glaubwürdiger. Desweiteren ist es mir schleierhaft, wie von nicht vorhandener Lust auf Sex auf die Abhandenheit anderer „humanoider“ Eigenschaften geschlossen werden kann. Dazu möchte ich nur sagen, dass ich seit mehr als 2 Jahren in tiefer Trauer bin, Mitgefühl empfinde, Empathie auch für Menschen deren Identität ich nicht teile, Wahrheit suche und zu ihrer Verbreitung eben durch solche Beiträge beitragen möchte und ja, tatsächlich ein Mensch bin, in allen Facetten. Auch unter dem von Ihnen verwendeten Vorwurf des Wahnsinns, der kaum originell ist, da er schon seit Jahrhunderten als Totschlagargument (teils auch im wörtlichen Sinne) verwand wird um Menschen nicht nur zum Schweigen zu bringen, sondern ihnen auch noch jedwede Form der Zurechnungsfähigkeit und der Notwendigkeit Dritter sich mit ihnen zu beschäftigen, abgesprochen wird.

Aber dank ihrem Text bin ich beruhigt, solange sie schreiben bleibt uns die Emanzipation erhalten und die Menschheit heile und alle Asexuellen Menschen suchen sich nun bitte jemand für heute Nacht, ich meine, es geht ja so nicht, dass es Menschen gibt, die keine Lust auf Sex verspüren, immerhin die schönste Sache der Welt. So, fast.

“Unterschicht” unerklärt – und keine*n störts.

Gruseligste Erfahrung letzte Woche in der Uni. Dazu muss (vielleicht auch nicht) ewähnt sein, dass ich Geschichte studiere, also eigentlich Kommoliton*innen erwarte, die irgendwas gelernt haben, aus der Geschichte. Aber an manchen Tagen ist selbst das zu viel verlangt (Immerhin gibt es immernoch Menschen, die sich zu Ossi/Wessi Witzen hinreissen lassen. Haha. Danke. Nicht.).

Alles begann damit, dass wir einen ZEIT Artikel von Paul Nolte aus dem Jahr 2003 lesen sollten. In diesem ergeht sich der Autor über das Problem der “Unterschicht”. Soziologisch. Wurde uns gesagt.

Mein Problem mit dem Artikel, bzw. das Problem an dem ich mich aufgehangen habe, ist allein schon der Begriff “Unterschicht”. Was bedeutet das? Woher kommt er? Was will er uns mit diesem Wort sagen? Welche Homogenisierung findet dabei statt?

Dieser Begriff ist nicht “mal eben so” verwendet und steht auch nicht vorurteilsfrei auf dem Papier. Dieses Wort ist (und war auch schon vor 10 Jahren) so stark negativ besetzt und mit Vorurteilen und -annahmen aufgeladen, dass mir allein bei dem Gedanken daran schlecht wird. Erstaunlicherweise verbalisierte keine*r meiner Mitstudierenden eine ebensolche Reaktion.

In der Verwendung eines Universitätsprofessors (Geschichte), der dieses Wort in keinster Weise in einen Kontext setzt oder die Verwendungsnotwendigkeit erklärt, muss es zwangsläufig bedeuten: Menschen ohne (Universitäts/Ausbildungs) Abschluss, wenig Geld, keine “hohe” Bildung (an deren Wert sich ohnehin zweifeln lässt), keine Manieren, schlechten Geschmack in Punkto Ernährung und Kultur und falsche Werte.

Ähm. Entschuldigung. Herr Nolte und alle anderen, die sich immernoch versucht fühlen einen solchen Begriff zu verwenden und dann implizit zu sagen “Naja, ihr wisst doch was ich meine”. Richtig. Und genau DAS ist das Problem. Ihr seit das Problem, ihr die ihr auf Menschen herabschaut und ihnen Ratschläge geben wollt (in der ZEIT…ähm… ja.) ohne euch eures eigenen Privilegs bewusst zu sein. Eure Perfomance kotzt mich an.

Krank sein. So ganz einfach.

Gemeckere ohne Neu:Erkenntnis.

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Ich bin krank. Reichlich unspektakulär lieg oder lag ich mit einer Seitenstrangangina im Bett. Das ist nichts neues, nur eklig, aber absehbar. Ein paar Antibiotika, viel Ruhe, Kammillan, Tee und ein Krankenschein.

Moment, ein …was? K-R-A-N-K-E-N-S-C-H-E-I-N?

Bist du des Wahnsinns fette Beute? (Rw) Den kannst du gleich wegschmeißen, der gilt nicht. Neinnein. Egal, dass dein_e Ärzt_In gesagt hat, dass du ansteckend bist, egal, dass sich sowas, wenn nicht richig auskuriert, ausweiten kann und bspw. auf’s Herz legen, egal, dass es dir einfach dreckig geht. Du bist doch daheim, da hast du ja eh nix zu tun und da kannst du doch….

Jepp, krank sein, war mal nett. Als Kind zum Beispiel. Mensch hatte, im Idealfall, ein paar Tage Fieber oder Husten und Schnupfen und blieb daheim und was nicht erledigt wurde, wurde eben nicht erledigt. Punkt. Oder, es soll sowas noch geben, habe ich gehört, diese Jobs, bei denen ein_e Kolleg_In deine Aufgaben übernimmt und du sogar noch Geld bekommst während der Erkrankung. Ich hatte sowas mal kurz, als ich an der Uni gearbeitet habe. Mmh schon ziemlich großartig.

Aber die Realität ist immer noch, dass Menschen, viele Menschen, am liebsten anscheinend Menschen in Machtpositionen oder selbstausbeuterische Freiberufler_Innen dich nicht ernst nehmen, wenn du nicht mindestens im Krankenhaus bist. Dann kommt eben dieser Anruf “Geht es dir besser? Nein? Ach, tut mir leid, aber du kannst doch trotzdem….?”

Ich finde das nicht nur nervig (vor allem, weil ich doof genug bin, jaaaaa zu sagen), sondern vermessen. Ein Mensch ist krank. Egal wie sehr, braucht dieser Mensch Ruhe. Das ist einfach, oder? Einfach zu verstehen. Aber in unserem System so verdammt schwer zu akzeptieren. Wir haben alle Druck, von außen und dann irgendwann, wenn wir alt genug sind, dieses System verinnerlicht zu haben, auch von innen. (Was sonst sollte mich dazu bewegen am Sonntag ohne Stimme nach 3 Tagen Antibiotika 4 – 5 Stunden im Büro ohne funktionierende Heizung zu sitzen und zu arbeiten? JA, die DEADline. Hört ihr? Das Ding heißt im englischen DEADline, weil es uns irgendwann alle umbringt). (Deadline= engl. Frist)

Und dann bekomme ich einen Anschiss von einer guten Freundin, die gaz recht hat, nämlich, dass die eigene Gesundheit vorgeht, dass es egal ist wer wann was wie agegeben haben will, weil das nicht zählt, nicht länger als die Sekunde der Abgabe, es hält nicht vor, es rettet nicht die fucking Welt, und die geht auch nicht unter, wenn irgendwas eben mal eine Woche länger dauert.

Ich sag’s ja. Capitalism kills us all (eng. Kapitalismus bringt uns alle um), auch wenn wir eigentlich Antikapitalist_Innen sein wollen sind.

Nimm mir nicht meinen Wahnsinn.

Da draußen gibt es Listen und Analysewerkzeuge, Kurvendiagramme und Ordner und Menschen die das sprichwörtlich in der Hand halten und sagen dürfen was „normal“ ist und „gesund“ und was „krank“ oder „gestört“.

Aber woher nehmen sich Menschen mit einigen hübschen Zertifikaten an der Wand und ein paar Jahren des Lernens im Rücken denn das Recht heraus dem Rest der Welt zu sagen, was sein darf und was nicht? Wer hat sich denn hingesetzt und auf Verdacht gesagt, wie viel Emotion erlaubt ist, sein kann, und wann sie stört. Und vor allem, wen stört sie denn?

Eigentlich stört sie doch nur ein kapitalistisches System, in dem „wir“ alle dazu aufgefordert werden zu arbeiten, zu schaffen, in Lohnarbeitsverhältnissen um den ganzen Kram, inklusive der Dinge die wir nicht mögen und haben wollen, die jetzt aber „eben so sind und nicht zu ändern“ (Neokolonialistische Verhältnisse und Sklaverei, die so nicht mehr genannt werden darf/kann/wird zum Beispiel) aufrecht zu erhalten, aber sich dagegen zu erwehren stört ja schon und ist deswegen nicht bequem.

Oder darin nicht funktionieren zu wollen oder zu können. Weil gerade deine ganzen Welt in Trümmern liegt, da ein Menschen den du liebst gestorben ist, zum Beispiel. Tja, Pech gehabt, bald haben wir dafür noch zwei Wochen Zeit. ZWEI WOCHEN! Das neue Analysemodell macht’s möglich. Zwei Wochen Trauer, was darüber hinausgeht ist eine Depression und kann/muss/soll/darf dann als solche behandelt werden, sprich Psychopharmaka werden verordnet, der/dem „Patient*in“ noch ein schlechtes Gewissen und Selbstzweifel untergejubelt (Was kann es eigentlich alles auslösen gesagt zu bekommen, krank zu sein?) und ab geht’s, jetzt muss es dir gleich bald wieder besser gehen, was daran zu sehen ist, dass du Alltagstauglich bist, was daran zu sehen ist, dass du deinem Vollzeitjob in adäquater Manier nachgehen kannst. Klingelt’s?

Bei mir schlagen Kirchenglocken im Hirn. Es geht dabei doch gar nicht darum Menschen „gesund zu machen, ihnen zu helfen“ (den Therapeut*innen die vor dir sitzen schon, dem System dahinter aber nicht), sondern darum, Menschen die „anders“ sind in ein System zu pressen, von dem „wir“ denken, dass es gut und richtig und funktional sei. Sonst würden sie ja „Schmarotzer*innen“ sein, oder gehören eben weggesperrt.

Irgendwelche Daten bestimmen also, wann ich krank und wann gesund bin. Oder gestört Schönes Wort übrigens. „Störung“. Lässt gar nicht darauf schließen, ob es dich (oder mich oder wen auch immer) „stört“ was mit dir geschieht, wie du bist, wer du bist, sondern er einfach nur eine Linie zieht und dir zeigt, ab wann es deine Gesellschaft stört, wie du bist, also muss es auch dich stören, also hast du behandelt zu werden, damit du gefälligst wieder gesund wird. Dammnit.

Fuck. Ich will nicht, dass ihr mir sagt, ob ich gesund oder krank oder gestört oder wasauchimmer bin. Ich will von euch nicht gesagt bekommen was in unserer Gesellschaft bitte schön gerade so noch in den Rahmen passt und permanent immanent Gedanken, Emotionen, Reaktionen, Meinungen, Bilder, Schüttelfrost und Bauchweh, Kopfschmerzen und Zähneknirschen in Schach halten um eben nichts ver-rücktes zu tun, sagen, denken, fühlen oder sonst irgendwie rauszulassen. Und dann nichtmal darin ernstgenommen werden, sich selbst nicht mehr ernst nehmen können und doch immer nur und immer fester gegen Mauern zu rennen, außen und innen. Aber bitte schön anpassen, sonst gehörst du weggesperrt.

Weggesperrt in einer Welt voller Menschen die definieren wieiviel Emotion gesund ist und wo Krankheit anfängt.
JA, ich will meinen Wahnsinn behalten. Denn er schafft. Er schafft Dinge und Produkte und Momente und Erlebnisse, die für euch wertlos sind, weil nicht kapitalistisch verbuchbar, keine Kosten-Nutzen-Rechnung für euch. Ich mag meinen Wahnsinn. Er ist nicht nur ein Teil von mir, sondern der Teil, der mich in dieser kranken Welt nicht verrückt werden lässt.
Aber wenn ich das laut ausspreche, laufe ich ja fast schon Gefahr in Therapie zu müssen, denn solche Gedanken und Schlüsse sind ja nur Auswüchse eines wahnsinnigen Gehirns und daher schon Zeichen, das etwas mit mir nicht stimmt. Ja, ich finde das bedrohlich.

Asexualität? Neeeeeee….. oder?

Eigentlich schreibe ich keine Blogposts über privat-politische Themen. Ich diskutiere darüber verbal, aber halte mir somit auch ein Hintertürchen offen, denn Meinungsänderung durch Überzeugung seitens Dritter ist einfacher, wenn es nicht irgendwo schwarz auf weiß steht. Und ja, ich habe manchmal Angst vor der Kritik, schriftlich, ausformuliert, weil mir oft die Kraft ausgeht, auf halber Strecke sozusagen. Aber ich versuche es jetzt dennoch, weil ein mir wichtiges Thema oft im gesellschaftlichen Diskurs egal welcher „Art“ keine Beachtung findet.

Asexualität wird nicht totgeschwiegen, sondern scheint einfach nicht zu existieren. In den Köpfen der meisten Menschen geht es um sexuelles Begehren. Es wird an allen Ecken über Hetero-, Bi-, Homosexualität und Queer gesprochen, geschrieben, positiv sowie negativ reagiert, aber Asexualität? Mmh. Nö. Is’ nich’. Wenn überhaupt, wird Asexualität oft pathologisiert und abgesprochen. Sie wird mit Unlust, Prüderie, einfach „noch nicht die*den Richtige*n im Bett gehabt“ oder gar Traumata gleichgesetzt.

Unsere Zeit ist übersexualisiert. Kommerzialisierter, pornifizierter Sex begegnet uns überall und ständig. Sexuelles Begehren wird überall produziert, wir definieren uns darüber, sprechen darüber, schreiben darüber, definieren uns darüber. Fakt ist, wir sind eigentlich sexuelle Wesen. Darüber reproduzieren wir uns. Punkt. Das muss nicht weiter erklärt werden. Fakt ist auch, dass viele Menschen keinen Spaß am Sex haben. Nicht so richtig. Warum auch immer.
Fakt ist ebenfalls, dass „Sex“ überall ist, überall und ständig und immer werden wir dem ausgesetzt. Also scheint es normal zu sein. Nein, es ist die Norm.

Ich hatte mit 17/18 Jahren mein Coming-out als bisexuell. Das war schon nicht lustig und die Kommentare, Bemerkungen, Reaktionen möchte und muss ich glaube ich hier nicht wiedergeben. Dann begann ich mit Anfang 20 anzufangen über (mögliche?) Asexualität nachzudenken, einige Jahre später mit Freund*innen darüber zu sprechen. Zunächst mit Menschen, deren sexuelle Offenheit mir bekannt war. Menschen, die mich kennen, denen ich vertraue.

Trotzdem tat es manchmal weh. Es tat genauso weh, als ich mit mir nicht so gut bekannten Menschen sprach. Überrascht hat es mich nicht, ich war nur von der Kreativität einiger Aussagen überrascht, die es UNBEDINGT erklären wollen. Es KANN JA NICHT SEIN, dass mensch kein sexuelles Verlangen habe. Keine Lust. Die Frage, ob mir in meiner Kindheit irgendetwas beinahe Unaussprechliches zugestoßen sei, das sah ich in den Blicken einiger und musste es von vornherein entkräften.Es wurden auch Verbindungen zwischen meiner Ernährungsform (die zwischen Vegetarismus und Veganismus abwechselt) gezogen. Fleischeslust wieder aufgerollt (Anm. d. Red.: im Buch „The sexual politics of meat“ von Carol J. Adams wird dieser Mensch-Tier-Zusammenhang in kulturellen Diskursen ebenfalls thematisiert etwa das Fleischessen als Männlichkeitsmarker).

Menschen wird es abgesprochen asexuell zu sein, wenn sie Sex haben, wenn sie Körperlichkeiten egal welcher Form mit Anderen teilen. Ja, wenn sie das Bedürfnis haben, Menschen nah zu sein. Woher kommt das? Warum darf immer alles nur eine Form haben? Asexuell = kein Mensch kommt dir körperlich nah. Nicht asexuell = Sex, Zärtlichkeiten. Aber dazwischen gibt es nichts? Gibt es wohl. Denn es gibt tausend Gründe und „Abstufungen“ menschlicher Wünsche. Einfach der Wunsch morgens nicht immer allein aufzuwachen. Der Wunsch im Arm gehalten, gestreichelt zu werden. Küsse genießen zu können, Zärtlichkeit im Rahmen der eigenen Komfortzone (comfort zone).

Es gibt jedoch ein großes Problem, dem wohl nicht nur ich immer wieder gegenüber stehe. Nämlich Dinge zu tun, die ich eigentlich nicht begehre. Die mir zwar nicht wehtun und in mir auch keinen Ekel auslösen, aber die sich dennoch nicht richtig anfühlen. Nämlich die Frage, wie kann ein asexueller Mensch eine ernsthafte exklusive romantische monogame Zweierbeziehung (falls erwünscht) eingehen, wenn der Mensch, zu dem diese Hingezogenheit existiert, durchaus sexuelles Verlangen hat, also „sexually driven“ ist? Die Angst, dass dieser Mensch eine*n verlässt, sobald die Situation erklärt wird. Unverständnis auftaucht. Und was wäre, wenn es gar nicht so ist? Wenn die Asexualität genauso unstatisch ist, wie vieles im Leben? Sie sich ändern könnte? Immer wieder aufkeimende Fragen, ob das Selbst vielleicht doch eher krank ist, oder komisch, oder eigenartig ist, oder ob es Gründe gibt.

„Willst du es ändern?“ Gute Frage. Ständig gestellte Frage. Eine Frage, die jede asexuelle Person für sich entscheiden kann oder eben nicht. Die Anmaßung anderer Menschen, über den Grad der Asexualität zu entscheiden, sie zu entkräften, weil das gelebte und gesprochene nicht in die Schublade der Person passen scheint, sie sich in „Neoprenanzüge zwängt“ um ja niemanden an sich heranzulassen, sie sind fehl am Platz. Es gibt ein großartiges Netzwerk namens „AVEN“, die auf ihrer Homepage die beste Formulierung gefunden haben (ich möchte es bewusst nicht Definition nennen):

„Asexualität ist, wie alle Orientierungen im Leben (und dazu gehört insbesondere auch die sexuelle Identität), nur eine persönliche Kategorie. Man ist also asexuell, wenn man sich selbst so sieht.
Es gibt keine feste Anzahl an Kriterien, die einen als asexuell oder nicht bzw. nicht mehr asexuell festlegen können und kein Prüfungsverfahren welches bestimmt, ob man als asexuell gelten darf.
Wie bei allen sexuellen Orientierungen, ist auch Asexualität ein Begriff, der immer im Kontext des Lebens eines Menschen eingeordnet werden muss.
Wer also glaubt, dass der Begriff “asexuell” hilfreich ist, um über sich selbst nachzudenken und andere Menschen über sich aufklären zu können, darf den Begriff nach eigenem ermessen verwenden.
Nichtsdestoweniger gibt es bestimmte Trends zwischen denjenigen, die sich als asexuell identifizieren. Obwohl diese Trends keineswegs diktieren, wer sich als asexuell identifizieren kann oder wer nicht, umreißen sie allgemein das Erleben der meisten Menschen in asexuellen Gemeinden (einschließlich AVEN). Manche Menschen erleben Asexualität anders als andere. Obwohl es unmöglich ist, die ganze Vielfalt von asexuellen Erfahrungen zu beschreiben, kann vieles in Bezug auf drei Faktoren betrachtet werden:“ Anziehung, Erregung und Beziehungen.
(weiterlesen hier )

Zwar gibt es Wikipedia Artikel und es finden sich auch Abhandlungen darüber, aber es wird oft nicht mitgedacht. Ich selbst habe es nur selten erlebt, dass aus LGBT*Q ein LGBAT*Q wurde. Und überhaupt frage ich mich, ob asexuelle Menschen zur queeren Szene gehören? Eine Frage, die ich alleine (selbstredend) nicht beantworten kann.

Die augenöffnenste Auseinandersetzung und Portraitierung damit bot für mich der Film „(A)sexual“ der großartigen Angela Tucker. Diesen Film möchte ich jeder*m empfehlen, die*der sich weiter damit auseinandersetzen will, verstehen und nicht verurteilen.

„The system is not broken. It was made this way.“

The air is cool actually cold, no snow fell yet, it’s not raining and just a little windy. Darkness will fall soon, the Christmas lights spread a homy feeling. Everything is fullfilled with the babbling of voices, the smell of hot wine punch, roasted almonds and the oncoming winter. Dozens of people hustle together every minute, fast talking children sticking in warm jackets and with hats on. Grocery sized bags dangle on arms, wallets lay easy in hand. Even the paramedics seem to be relaxed, the shining of the lights on their faces.
Entering the place one can see them scarcely, have to keep an eye out for the signs: Occupy Hanover. Money does not work.

Saturday afternoon at 2pm they assemble on the „Kröpcke“ in Hanover, nearby the central rail station. For two hours two dozen of demonstrants in the middle of clothes shops of well known brands, inbetween Hip Hop street perfomances and a Scottish musician, line of sight the Christmas Market. They come out of different social backrounds, are not reducable to one age, represent a melting pot of critics and have a consensus: The capitalism and associated corruption are the downfall of our society, our state and the whole global system.

„Occupy“ is a movement based on the Arabic Spring. In December 2010 protests and revolts started in Tunesia and spread within short time to Egypt, Libya, Syria, Morocco and Jordan. One thing after another dismissals of governing politicians, deadlock situations and civil wars, resolute invasions of the NATO and widespread social protest happened, which developed from short sentences on Twitter and Facebook to mass movements. In May the citizens of spain assembled for the first time on the streets, to protest against massive cutbacks of the walfare system and the bank rescue initiated by the European Union.

Nowadays, three months after the the 15th October, when in came to protests and even occupations in 1000 towns in more than 80 countries, people are still angaged with the movement in Hanover.
A tall women is kneeling inbetween them and still working on a big, artistically sign. „If they won’t let us dream, we won’t let them sleep. Wake up!“ is written down there in green, red and black letters, aside a ringing alarm clock is painted. She is wearing a white furry bonnet, unremarkable glasses and laughs when someone is coming closer. She has got an explanation for the small number of demonstrators. They are wearing out. In Hanover protests are organized every Saturday, information campaigns, distributing flyers. Moreover roundabout 25 people meet every Monday in the „Raschplatzpavillon“ at 7pm. „But not the same 25 people everytime.“ There is fluctuation around a hard core. She herself is engaged in a working group additionally. Three appointments for „Occupy“ every week. Responding to the question if she sees herself affected by the crisis, the financial crisis, she says that she is in the lucky position to work as a clerk, but Christmas and holiday bonus and the thirteenth monthly allowance has been cut down already a couple of years ago.

Active already within the movement of 1968 she reports how it went around the world. But actions like that always change by time and calm down, but there a time will come when the wave is rolling again. By the time the protests begun months ago she says that many of the todays activists have been relieved, finally the changing seemed to start. There was a feeling like all of them sat in a waiting room for years. A huge tsunami is moving around the globe now. But this time, the women is convinced, some rapid changes will happen. „One never knows how a birth will end, if mother and child will be healthy or have to die. But it is sure that the birth will take place.“ Until spring proposals and basic concepts should be worked out. The Universal Declaration of Human Rights should be reactivated, it’s downgrading must not proceed. It has to be the base for global, real democracy. „Real Democracia ya!“, „Real Democracy Now!“ is the movement’s groundbraking slogan.

To follow Berlin and Frankfurt/ Main, the two cutting-edge cities of the German „Occupy“ actions, and build up a Camp was discussed as well, but the activists in Hanover decided against it because „it draines a lot of energy“. Instead of that they prefer working on ideas for protests, information for people who have never or almost nothing heard about the background of the global actions.

Do they work on demands? „No“, a second woman is laughing, „doing so, we even could set up a political party.“ „Occupy“ exists not to place demands on somebody that are binding for all humans. Because everybody has different topics keeping him or her busy, but in this meltig pot it is about the break down of the system. A „new world of respect and teamwork“ has to be built up. That is why in January two political salons will open in the „Medienhaus“ of Hanover. No Lobbyists or Politicians are invited, but there is access for everyone who is interested, wants to discuss, compare views with others. The mainstream media are barely willing to offer time for the voices of people. The ones who are actually affected, „You cannot talk about the crisis in 30 or 90 seconds. Either you take enough time or let it be.“ In general the media are handling the movement wrongly, discredit it by a focus that lays on claims and concrete appeals. But „Occupy“ is currently in a process. „I guess we will be out of the wood in three years. Afterwards just ten years of smaller work will follow.“ Her gaze is strong, a fierce, sanguine flash of fire in her eyes. Full of pleasant anticipation. The people who are standing on the „Kröpcke“ today think idealistic, but moreover they are willing to start the changes theirself. The motivation is real, their engagement catching.

The reactions of the pedestrians are diverse. Some seem to be frightened as soon their are addressed with the financial crisis. A few don’t want to listen and escape. But many people are interested and take at look at the information table, reading flyers or listen about the ideas, discussing whether they are in a pro or contra position. Networking is one of the movement’s most important pillars. Not only social networks on the internet play a role but also face-to-face contact.

With a long look to the passing people and a strong voice, she says that everybody is a light house in the world, and gets much more in return than he or she gives. The reaction of the people gives heart. She herself gave out so many flyers already that she left it to someone else today and prefers talking.

At 4pm the demonstration is finished and the people take their signs, freezing, shaking hands, calling „See you on Monday.“ The women refers to her disease, she suffers cancer. „But you know what? Political activism can help.“ she says, putting her bonnet back on her head.